Das war schon immer so – gib dich damit nicht zufrieden

Ein Gespräch heute mit einer Kollegin hat mich nochmal auf dieses Thema gestoßen.

Anna ist schon lange Hufbearbeiterin und hat einen festen Kundenstamm. Aber bei einigen Pferden stagnierte die Entwicklung oder bei jedem Termin hebelten die Wände wieder weg.

Oft dauert es eine Weile bis man das bemerkt. Denn man lernt hochmotiviert ein neues Kundenpferd kennen, sieht die Baustellen und denkt vielleicht, dass es an der vorherigen Hufbearbeitung liegt. Ganz ehrlich: Hast du auch schon mal gedacht, dass du das besser hinbekommst?!

Nach einigen Monaten dann die Ernüchterung: Die Wände wachsen immer noch nicht gerade ein oder der Strahl ist immer noch schlecht oder die Hornqualität lässt noch immer zu wünschen über.

Der erste Schritt ist das Anzweifeln der eigenen Arbeit

Zumindest ist das bei uns lange Zeit so gewesen. Vielleicht verkürzt man die Intervalle, bearbeitet etwas anders, meist mehr. Aber mit demselben Ergebnis: Es verändert sich nicht grundlegend etwas.

Manche fangen auch an die Fehler beim vorherigen Bearbeiter zu suchen. Das ist weder kollegial noch zielführend. Daher erstmal an die eigene Nase fassen.

Das Bewusstsein über die äußeren und inneren Einflüsse

Irgendwann wurde uns bewusst, dass wir eben „nur“ Hufbearbeiter sind und es vermessen ist zu denken, dass wir mit unserer Arbeit alle paar Wochen mehr Einfluss haben als die Einflüsse, die sich jeden Tag auf den Huf und das Pferd auswirken. Deshalb beraten wir eben auch zu den Themen HUF, also Haltung, Untergrund und Fütterung. Ein auch sehr sehr wichtiger Einfluss ist die Bewegung – genauer gesagt die Kräfte, Lastspitzen und Dauerbelastung, die durch den Körperbau, die Biomechanik und die Nutzung der Hufe immer und immer auf den Huf einwirken.

Unser Ziel der Bearbeitung ist es daher nicht primär die statische Hufsituation zu verbessern, sondern die Nutzung der Hufe. Jeder Schritt zählt und auch das ungünstige Stehen beim Fressen, der unpassende Sattel oder das Reitgewicht. Das alles und noch viel mehr hat einen Einfluss.

Außerdem haben wir unser Konzept so entwickelt, dass die Pferdebesitzer zwischen den Bearbeitungsterminen nachraspeln. Wir erklären ihnen die wichtigsten Punkte am Huf, weisen sie gut ein und diese kleinschrittige minimalistische Bearbeitung zeigt sooo viel mehr Erfolg, als eine professionelle Korrektur alle paar Wochen allein – wenn es gut gemacht wird.

Die Fälle, die uns verzweifeln lassen

Bei mir war es vor allem mein eigenes Pferd. Wir haben die Bearbeitung verändert, die Fütterung, die Haltung, die Böden. Die Fußung war gut und trotzdem blieben die gleichen Baustellen. Die etwas platte Sohle, die leicht weghebelnden Wände.

Nicht besonders schön, wenn das eigene Pferd gefühlt das einzige in der Kundschaft ist, bei dem alles nicht so richtig anschlägt. Aber gut, Felix war der Grund, warum ich mich überhaupt mit Hufen befasst habe.

Man freundet sich mit dem Gedanken an: Das ist bei ihm halt so. Das war schon immer so.

Aber auch Anna berichtet von diesen Fällen, bei denen sie einfach nicht vorankommt und falls du Hufbearbeiter bist, hast du diese paar Pferde bestimmt auch. Besonders unangenehm wird es dann, wenn noch Meinungen von außen auf dich oder den Besitzer einprasseln, die es alle besser wissen.

Das war schon immer so

Diese Aussage zieht sich durch die Pferdewelt, aber immer mehr Menschen denken darüber nach – das ist wunderbar!

Wir sollten uns nicht damit zufriedengeben. Vielleicht gibt es Wege, die wir noch nicht kennen. Vielleicht möchte dich dieses Pferd einfach ein Stück weiterbringen auf deinem Weg.

Anna hat im letzten Jahr den Kurs zum Hufrehe-Berater mitgemacht. Zu Beginn noch mit der Aussage: Ich habe nicht wirklich Pferde mit Hufrehe in der Kundschaft. Denn was haben wir bei der Ausbildung über Hufrehe gelernt? Also bei uns damals so gut wie nichts.

Sägebockartige Stellung oder Festliegen, Wendeschmerz. Es hieß noch immer kühlen, Verband ggf. mit Keil, Futterreduktion ans Äußerste, Schmerzmittel und Entzündungshemmer. Ab einem gewissen Rotationsgrad oder einer Senkung ist die Situation nicht mehr reversibel. Immer noch ein gängiges Vorgehen und das Todesurteil bzw. ein langer Leidensweg für viele Pferde.

Das Gute: Es gibt mittlerweile sehr viel mehr differenzierte Studien zum Thema Hufrehe. Es gibt unheimlich viele Möglichkeiten betroffenen Pferden mit recht einfachen Mitteln zu helfen und es gibt noch viel mehr Möglichkeiten frühe Anzeichen zu erkennen und präventiv zu handeln.

Und das war auch Annas Aussage heute: Mein größter Aha-Moment im Kurs war die Früherkennung. Ich erkenne die Pferde jetzt schon, wenn sie auf dem Weg in die Hufrehe sind, vor allem bevor sie schlecht laufen. Die Pferde, bei denen ich immer wieder dieselben Baustellen hatte und die Entwicklung einfach nicht vorwärts geht, sind definitiv Stoffwechselprobleme dahinter. Es ist erschreckend wie viele hufrehegefährdete Pferde ich tatsächlich in der Kundschaft habe und wie wenig es den Besitzern oder auch anderen Therapeuten bewusst ist.

Und genau das ist die Kehrseite: Die frühen Anzeichen sind eher unspezifisch und das Wissen aus den Studien der letzten zehn Jahr bahnt sich nur langsam seinen Weg. Viele Informationen im Internet, in Ausbildungen und auch Fachzeitschriften sind leider schon überholt. Eine weitere Problematik ist die Sprachbarriere, denn die Studien sind meist auf Englisch.

Möchtest du wissen wie man Hufrehe ursächlich behandelt? Hier findest du Infos zur den Hufrehekursen für Profis.

Du hast Glück

Die Einnahmen der ersten Hufrehe Konferenz 2019 haben wir an die ECIR Group gespendet, um einige Artikel ins Deutsche übersetzen zu lassen. Diese findest du unter folgendem Link oder eben bei uns in den Kursen zum Thema Hufrehe.

Zurück zu meinem eigenen Pferd

Erst nach vielem Suchen und Fortbildungen wurden wir fündig, was wir wirklich vor allem in der Fütterung verändern mussten, denn auch er litt unter Stoffwechselproblemen. In jüngeren Jahren war es immer zu dick, aber mittlerweile war musste er recht viel zugefüttert bekommen. Es war mir damals nicht bewusst, dass eben auch dünne Pferde unter eine Insulinproblematik leiden können.

Die Optimierung zeigte einen deutlichen Schritt nach vorn. Aber so richtig zufriedenstellend war der Erfolg dann doch nicht (allerdings eher optische Probleme als bei der Bewegung). Gibt es also doch Pferde, bei denen es halt so ist?!

Jein. Röntgenaufnahmen brachten mehr Einblick. Auch, wenn vom Tierarzt nicht wirklich viele Veränderungen diagnostiziert wurden, zeigten sich bei genauerem Hinsehen eben schon einige Veränderungen, die das Problem der eingeschränkten Entwicklung erklärten. D

Die Wände sind relativ gut eingewachsen, aber die Sohle wollte einfach nicht so richtig ein Sohlengewölbe aufbauen, was bei unseren Böden einfach Sinn gemacht hätte.

Aber wie soll ein Huf ein Gewölbe aufbauen, wenn die formgebende innere Struktur eben kein Gewölbe mehr aufweist?! Schwierig, also quasi nicht möglich, selbst wenn die Sohle dick und gut ist.

Sein Hufbein hatte sich über die Jahre der nicht erkannten Stoffwechselproblematik angefangen abzubauen. Der äußere Rand wies Veränderungen auf, die man in einer seitlichen Aufnahme gar nicht unbedingt erkennt. Daher machen wir gern auch eine Oxspringaufnahme. Außerdem ist die Hufbein-Wand-Verbindung immer ein bisschen dicker geblieben.

Die Schäden waren zum Glück nicht so groß, dass es ihm Probleme gemacht hätte. Er kam super damit zurecht.

Aber es hat ein bisschen mein Ego angekratzt, dass eben mein Pferd nicht die perfekten Hufe hat. Damals. Über diesen Punkt bin ich lange hinweg.

Er ist trotz einiger Stoffwechselprobleme ziemlich glücklich alt geworden und wir haben noch rechtzeitig die Kurve bekommen. Er war uns in vielerlei Hinsicht ein Lehrmeister.

Was solltest du jetzt davon mitnehmen?

  • Als erstes ist es wichtig sein Ego zurückzustellen und wirklich im Sinne des Pferdes zu handeln.
  • Nimm den Besitzer mit in die Verantwortung und gib ihnen Hilfestellung, was sie selber zwischen den Bearbeitungsterminen verbessern können – im Optimalfall HUF und das Nacharbeiten der Hufe.
  • Gib dich nicht damit zufrieden, wenn jemand sagt, das das schon immer so war. Forsche weiter und stelle Dinge in Frage.
  • Erkenne, wann du an eine Grenze kommst, also wann tatsächlich nichts mehr zu verändern ist – dann erhalte das Pferd im individuellen Optimum für dieses Pferd in dieser Situation.
  • Setze den Fokus auf die Funktion, nicht die Optik.
  • Bilde dich stets weiter und sieh die Pferde als Wegweiser.

In Annas Fall hat es sich tatsächlich rausgestellt, dass sie bei vielen Pferden noch einiges bewirken kann, indem sie eben nicht den Fokus rein auf die Bearbeitung legt und indem sie frühe Anzeichen einer Stoffwechselentgleisung erkennt, kommuniziert und die Besitzer begleitet einen neuen Weg einzuschlagen!

Nicht immer, aber sehr oft, können andere Wege eben auch andere Ergebnisse bringen! Finde dich nicht damit ab, dass es schon immer so war, bis du es nicht ausprobiert hast zu verändern. Und dieser Weg ist nicht immer leicht, aber mit Begleitung eine wahre Freude!

Du bist nämlich nicht allein mit solchen Schwierigkeiten.

Du möchtest mehr zum Thema Hufrehe und Hufbearbeitung wissen? Hier findest du Infos zur den Weiterbildungen.

Weitere Beiträge