Wir haben bereits schon darüber gesprochen, was wir von der Beurteilung eines Hufes anhand von einzelnen Fotos halten – nämlich gar nicht so viel. Unabhängig davon, dass zu einem Bild oft Hintergründe und Entwicklungsverlauf fehlen, sind wir große Freunde davon, uns ein ganzheitliches Bild vom Pferd zu machen. Und dies schließt die Einbeziehung von Gliedmaßenstellung und Gangbildanalyse mit ein. Ein Huf gibt nämlich schon oft viel Informationen darüber, wenn etwas im Argen liegt und bereits kompensiert wird. Da hilft es nichts, den Huf in eine schöne Form zu raspeln, wenn der Auslöser an einem ganz anderen Ende liegt. Schauen wir uns also einmal an, wie sich Gliedmaßenstellung und Gangbild auf den Huf auswirken können, welche Rolle Fehlstellungen spielen und was dies mit der Hufbearbeitung zu tun hat.
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Gliedmaßenstellung beurteilen und nachvollziehen im Stand
Bei der Betrachtung im Stand schauen wir natürlich auch auf die Gliedmaßenstellung. Da diese in einigen Büchern und Schautafeln bereits anschaulich dargestellt werden, haben wir darauf verzichtet dies hier zu wiederholen.
Natürlich hat jede Stellung einen Einfluss auf die Hufe, deren Belastung im Stand und auf die darüber liegenden Gelenke. Aber das muss nicht heißen, dass dies auch genauso in der Bewegung ist. Manche Pferde stehen total schepp, laufen aber gerade oder andersherum.
Daher macht es immer Sinn, sowohl Gliedmaßenstellung als auch das Gangbild zu begutachten. Zum Verständnis hilft es auch sich selbst mal so hinzustellen, wie das eigene Pferd steht. Steht es zum Beispiel zeheneng und man stellt sich selber mal so hin, dass die Fußspitzen nach innen zeigen, dann dazu beispielsweise auch noch mit einer bodenweiten Stellung, merkt man schnell, wie sich die Belastung des Fußes verändert im Vergleich zu einer “Normalstellung”. Und versucht dann mal zu laufen…
Diese Stellung kann angeboren oder erworben sein, manchmal ist es auch Schonhaltung aufgrund eines akuten Geschehens. Für uns als Hufbearbeiter ist es wichtig zu entscheiden, ob und wie viel wir an dieser Stellung verändern können bzw sollten.
Berücksichtigung von Fehlstellungen in der Hufbearbeitung
Unserer Erfahrung nach kommen viele Pferde sehr gut damit zurecht eine “Fehlstellung” zu haben, die eventuell durch eine Schiefe an andere Stelle bedingt ist. Die Stellung führt gegebenenfalls zu einer ungleichmäßigen Belastung der Hufe. Wir sehen es in dem Fall als unsere Aufgabe, die Hufe so zu bearbeiten, dass das einzelne Pferd in seiner Situation den größtmöglichen Laufkomfort erhält. Das heißt oft, dass die Hufe schief sind, aber diese Schiefe die ein anderes Problem kompensiert. Wir managen also eher die Schiefe, besonders auch durch kurze Bearbeitungsintervalle, anstatt zu viel zu korrigieren.
Bei angeborenen Fehlstellungen einer Gliedmaße kann man häufig sehen, dass das Bein im aufgenommenen Zustand, locker am Röhrbein gehalten, eine gebrochene Achse aufweist. Der Huf und unter Umständen auch schon die Fessel oder noch höhere Punkte am Bein zeigen dann in eine Richtung. Wenn ich den Huf dann korrigiere indem ich ihn gerade fixiere, kann das zu Problemen führen.
Wenn du ein Pferd kennst, das eine Fehlstellung hat, kannst du den Test mal machen: Nimm den Huf auf wie zum Hufeauskratzen und halte das Bein locker am Röhrbein. Lass den Huf locker herunterkippen. In welche Richtung zeigt der Huf? Zeigt er nach innen oder außen oder verdreht regelrecht, sollte dies respektiert werden, zumindest bei älteren Pferden.
Zeigt mein Pferd eine veränderte Stellung aufgrund einer akuten Problematik, kann in den meisten Fällen mit der Behebung der Ursache und einer engmaschigen Hufbearbeitung diese Fehlstellung wieder komplett verschwinden.
Wichtig ist, dass man bedenkt, dass das Pferd gut damit laufen kann. Der Huf hat einfach eine super Ausgangslage, um Dinge zu kompensieren und sich anzupassen. Nach unten hin gibt es keine feste Gelenkstruktur, denn das Hufbein ist der unterste Knochen. Außerdem befinden sich im Huf viele flexible Strukturen, die eine Adaption zulassen. So kann es sein, dass ein schief belasteter Huf auch schiefe innere Strukturen hat, was dann während der Belastung wiederum zu einer Gleichmäßigkeit führt. Also wirklich faszinierend!
Gliedmaßenstellung beurteilen und nachvollziehen in der Bewegung
Und damit kommen wir auch schon in die Bewegung. Denn die ist nochmal wichtiger als der Stand. Es gibt Pferde, die trotz Fehlstellung gerade laufen und Pferde mit regelmäßiger Gliedmaßenstellung, die in der Bewegung deutliche Abweichungen zeigen. Hufe verformen sich bei kurzfristiger sehr starker Belastung und kommen dann aber bei Entlastung wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Anders als bei ständig ungleichmäßiger Belastung. Dabei verformen sich die Strukturen eher. So stehen sich viele Pferde an Heuraufen die Füße krumm, weil zum Beispiel ständig hinten einen Fuß entlastet wird und der andere als Ausgleich außen mehr belastet wird. Aber ein Pferd, dass in der Bewegung mit Vollspeed auf unebenem Boden in die Kurve geht, erfährt nur eine kurze Verformung der Hufkapsel, die durch die Elastizität und Flexibilität ermöglicht wird.
Ein Wechsel aus Druck und Entlastung und Böden, die eine punktuelle Belastung vermeiden, helfen den Hufen möglichst gut in Form zu bleiben.
Eine Tierärztin hat mal zu uns gesagt, dass sie (bei Hunden) keine Lahmheitsdiagnostik macht, sondern eine Gangbildanalyse. Was total Sinn macht.
Bei dieser Analyse schaut man auf Veränderungen im Gangbild, zum Beispiel wird die Gliedmaße gerade oder im Boden nach vorne geführt, dreht sie dabei nach oben oder außen und noch viel mehr. Denn oft lange bevor eine Lahmheit zu erkennen ist, kompensieren die Tiere und auch wir Menschen schon lange, was sich in einem veränderten Gangbild zeigen kann.
Und auch bei einer bereits vorhandenen Lahmheit hilft die Gangbildanalyse den Ursprung der Lahmheit besser zu diagnostizieren, der eben nicht immer gleichzusetzen mit dem offensichtlichen Problem ist.
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Beispiel: lose Kniebänder / tiefe Strahlfurche
Wenn ein Pferd zum Beispiel lose Kniebänder hat, winkelt es beim Vorführen die Hinterbeine nicht richtig an, sondern führt das Bein eher etwas steifer im Bogen außen und setzt dann eher mittiger unter dem Körper das Bein zur Lastaufnahme auf. Das Pferd muss deshalb nicht lahm sein, sondern zeigt nur ein verändertes Gangbild.
Der passende Huf dazu hat wahrscheinlich auf der Außenseite eher eine steiler Wand und ist mehr abgelaufen als an der Innenseite, wo die Wand wahrscheinlich flacher zum Boden ist. Den Huf kann ich als Hufbearbeiter dann aber nicht einfach innen kürzen, sondern ich verhelfe den Pferd mit einer kurzen Zehe und einem Abrollpunkt etwas nach innen versetzt zu einem möglichst komfortablen Laufen und gucke, dass die Muskulatur aufgebaut wird, um das Knie zu stabilisieren.
Mit der Hufbearbeitung versuche ich nicht die Schiefe zu korrigieren, sondern die Veränderung am Huf durch das weiter oben liegende Problem im Rahmen zu halten und das Bewegungsmuster positiv zu beeinflussen!
Auch das kann man oft beobachten: Möchte ein Pferd den hinteren Hufbereich nicht belasten, fußt es auf der Zehe auf. Dann ist es aber noch nicht lahm. Die Lahmheit kommt erst, wenn ich die Ursache der Ganganomalie nicht behebe, diese sich mit der Zeit verschlimmert oder sekundär Probleme auftreten. Bei einer tiefen mittleren Strahlfurche kann zum Beispiel die Zehenfußung die Veränderung im Gangbild sein, Sekundärproblematiken durch die Zehenfußung wären dann wiederum eine fortschreitende Verkümmerung des Wichteilgewebes, Hufrollenprobleme oder Arthrosen.
Erkennen, handeln, vorbeugen
Eine Ganganalyse oder auch das Ablaufmuster der Hufe zeigt uns also schon lange vor einer Lahmheit, ob etwas geschont wird. Wenn ich also rechtzeitig erkenne, wo die Ursache liegt und daran arbeite, fange ich viele Folgen rechtzeitig ab. Manche Ursache liegen in den Hufen, manche aber auch am ganz anderen Ende vom Pferd. Da gilt es gute Leute zu haben und eine fundierte Diagnostik durchzuführen.
Die Zusammenarbeit im Team ist hier super toll und macht vor allem Spaß, wenn man merkt wie gut man den Pferden damit helfen kann!