Immer wieder werden wir gefragt nach welcher Methode wir bearbeiten. Falls du dich noch nie mit Hufbearbeitungsmethoden befasst hast, fragst du dich vielleicht, welche Methoden es überhaupt gibt. Wenn du dich damit befasst hast, wirst du wissen: Es gibt mittlerweile einige unterschiedliche Ansätze.
Eine Anatomie – eine Bearbeitung?!
Auch wenn alle Pferde mehr oder weniger eine Anatomie haben und man denken könnte, es gibt dann auch nur eine Herangehensweise bei der Hufbearbeitung, muss man feststellen: Es gibt es so viele unterschiedliche und auch zum Teil gegensätzliche Ideen zur Hufbearbeitung, dass man kaum noch einen Überblick behalten kann.
Vielleicht sind dir schon mal die Namen Hufbearbeiter, Hufschmied, Huforthopäde, Huftechniker, Hufheilpraktiker oder auch die Begriffe klassische Hufbearbeitung, natürliche und orthopädische Hufbearbeitung, F-Balance, … über den Weg gelaufen. Und wenn du einen Bearbeiter aus einer bestimmten Richtung fragst, sind alle anderen Richtungen nicht vertrauenswürdig.
Das ist total schade, denn man kann sich ja auch konstruktiv austauschen und voneinander lernen. Wir arbeiten viel mit anderen Hufbearbeitern zusammen, sei es bei Fortbildungen oder auch durch Empfehlungen für Hufschuhanpassungen. Nicht mit allen stimmen wir überein, aber am Ende versucht doch jeder nach bestem Wissen und Gewissen jedem einzelnen Pferd zu helfen. Und das sollten wir nicht vergessen.
So, nun zu uns. Wir haben eine nebenberufliche Ausbildung als Hufbearbeiter nach NHC (Natural Hoofcare) gemacht. Eine Ausbildung kann aber immer nur eine Basis geben. Erst im echten Leben fängt man an Erfahrungen zu sammeln und seine eigene Handschrift zu bekommen. Jedes Pferd, das du bearbeitest, prägt deinen Weg und deine Entwicklung. Die Fortbildungen, die du besuchst, erweitern deinen Horizont in eine bestimmte Richtung. Da wir uns sehr sehr sehr gerne fortbilden, konnten wir über die Jahre in viele Richtungen schnuppern und auch der Austausch, da wir als Team schon sehr lange zusammen arbeiten, hat uns sehr viel voran gebracht. Unser Weg hat uns in Richtung Stoffwechsel und Hufrehe geführt, denn unsere Pferde haben uns diesen Weg gezeigt. Wir haben viele Fortbildungen besucht und vor allem viel umgesetzt und ausprobiert. Für uns ist es wichtig, die Leute hinter einem Konzept oder einer Studie kennenzulernen und es vor allem auch in der Praxis zu prüfen, ob irgendwelche Theorien oder Erfahrungen anderer für uns funktionieren. Und natürlich macht es am meisten Sinn auf die Pferde und auf das eigenen Bauchgefühl zu hören.
Geprägt durch unsere Pferde, haben wir recht schnell gelernt, dass die Hufbearbeitung allein einfach nicht ausreichend ist und HUF (du weißt ja mittlerweile, was das heißt) einen noch entscheidenderen Einfluss hat als alles was wir als Hufbearbeiter manipulieren können. Daher haben wir auch unser Buch “Mehr HUF, weniger Bearbeitung” genannt und “Weniger ist mehr” ist ein Leitspruch bei unserer Methode der Bearbeitung. Was eigentlich gar keine richtige Methode ist. Ein weiterer sehr großer Einfluss auf unsere Bearbeitung und auch Wahrnehmung der Pferde, deren Bedürfnisse und Lebensqualität sind unsere Beobachtungen von freilebenden Pferden. Nach unserem ersten Besuch in den USA 2013, waren wir kurz davor den Job als Hufbearbeiter aufzugeben, denn diese Ausstrahlung der Mustangs finden wir bei gehaltenen Pferden einfach nicht wieder. Es kam wie es kommen musste und die wilden Ponies zogen bei uns ein. Eine große Herausforderung, ein riesen Potential zu lernen und der lebende Beweis für unser Konzept Mehr HUF, weniger Bearbeitung.
Trotzdem sind wir noch immer mit Leidenschaft Hufbearbeiter, denn wir können so jeden Tag einzelnen Pferden helfen und das ist schon ein richtig schönes Gefühl.
Wie bearbeiten wir denn jetzt?
Wir bearbeiten jeden Huf individuell, beachten die Dynamik und die Anpassungsfähigkeit des Hufes. Aber wahrscheinlich sagt dir das jetzt erstmal nicht so viel, denn es gibt bei uns keine allgemeingültigen Arbeitsschritte, Maße oder Winkel, die wir ansetzen. Das macht das Ganze für den einen oder anderen etwas schwieriger, denn es ist viel einfacher nach einem festen Plan zu bearbeiten: Erst kürzt du A bis auf 2mm, dann bearbeitest du B in die und die Form, danach schneidest du das weg und raspelst jenes gerade. Kann man so machen, … wir machen es lieber anders.
Schau dir einfach mal an wie Pferde die Hufe bearbeiten und verändern. Wir haben ja bereits besprochen, was alles Hufe verändern kann. Wie soll dann Schema XY immer und für jedes Pferd passen?
Eigentlich ist Hufbearbeitung total einfach, wenn wir nicht immer diesen Maßen, Formeln, schlauen Berechnungen und Begriffen folgen würden. Nimm dein Pferd als Lehrmeister.
Hufbearbeitung ist so einfach
Falls du jetzt immer noch nicht den Durchblick hast, hier eine Liste, was du brauchst:
- Gute Kenntnisse der inneren und äußeren Strukturen der Hufe
- Gute Kenntnisse der Dynamik und Biomechanik
- Gesunden Menschenverstand, gutes Bauchgefühl
- Ruhe, Entspannung & gute Laune
- Räumliches Vorstellungsvermögen und handwerkliches Geschick
- Raspel, Handschuhe, Hufauskratzer
Ungefähr auch in dieser Reihenfolge… Wenn du anfängst Hufe zu bearbeiten, mach kleine Schritte, lass dir Zeit, beobachte viel und rasple in kleinen Schritten. Wenn du schon Profi bist, trau dich mal einen Schritt zurückzutreten und zu schauen, was bearbeitest du immer und warum? Schaffst du es auch mal dein Messer in der Hosentasche zu lassen? Oder mal nur eine Baustelle anzugehen, anstatt alles zu bearbeiten?
Pick your battle.
Den Spruch haben wir ein bisschen geklaut. Pete Ramey sagt das gern und wir haben das so übernommen. Es heißt im Prinzip, dass man bei jeder Hufbearbeitung überlegen soll, welche Baustelle man angeht und sich nur diese Eine herauspicken. Ist die Zehe sehr lang, bearbeite ich vielleicht nur mal die Zehe, fragt das Pferd nach einer Senke, lasse ich den Rest in Ruhe, ist nur eine Seite des Hufs nicht gut abgelaufen, bearbeite ich nur die eine Seite. So habe ich die Möglichkeit punktuell zu korrigieren und dem Pferd aber alles andere erstmal zu lassen. Denn egal wie wenig ich bearbeite, auch wenn es nur eine einzelne Struktur ist, beeinflusse ich alle anderen Strukturen mit. Meine Bearbeitung hat einen Einfluss. Deshalb mache ich es ja im Prinzip auch. Aber ich muss mir dessen auch bewusst sein. Pick your battle und beobachte, was dein Pferd daraus macht. Es kann auch sein, dass du bei der nächsten Bearbeitung eine ganz andere Stelle bearbeiten wirst.
Natürlich ist das einfacher, wenn die Bearbeitungsintervalle nicht so lang sind bzw. je mehr HUF umgesetzt ist, desto weniger ist die Bearbeitung tatsächlich notwendig. Wir haben richtig gute Erfahrungen damit gemacht den Pferdebesitzern zu zeigen, was sie zwischendurch mitbearbeiten können. So müssen wir nicht so viel bearbeiten, die Pferde haben immer gut erhaltene Hufe und die Entwicklung geht so viel schneller. Außerdem siehst du als Pferdebesitzer die Hufe viel öfter und kannst schneller bei Veränderungen reagieren.
Es ist keineswegs so, dass wir deswegen weniger Kunden haben, sondern eher mehr und viel mehr, die sich mitverantwortlich fühlen. So macht es für alle viel mehr Spaß.
Bearbeitung – Was denn jetzt?
Wenn du dann jetzt tatsächlich bearbeitest, brauchst du erstmal nicht mehr als einen Hufauskratzer, Raspel und Handschuhe. Du hast die Hufe deines Pferdes ja bereits dokumentiert. Wenn nicht, schau dir nochmal diesen Artikel an
Anhand der Bilder und Videos kannst du dir überlegen, was die wichtigste Stelle für die Bearbeitung wäre. Überlege auch, ob die Fußung gut genug ist, dass du etwas verändern darfst oder sogar musst und wie die anderen Strukturen entwickelt sind. Können sie die veränderte Last tragen? Fast immer ist weniger tatsächlich mehr.
Beispiel lange Zehe:
Dein Pferd hat eine Trachtenfußung, die Zehe sieht lang aus, Hufunterseite ist gut entwickelt, dicker Strahl, feste Sohle. Du misst das Strahl-Zehe-Verhältnis auch das ist lang (ideal wäre 3 Teile Strahl zu 1 Teil Zehe). Wenn du ein Drittel der Strahllänge vor der Strahlspitze misst, siehst du auf der Sohle ungefähr an dieser Stelle eine Veränderung der Struktur, eine Verdickung zum Beispiel. Diese Anzeichen deuten ebenfalls alle auf eine lange Zehe hin. Da die Fußung gut ist, kannst du dich an die Zehe wagen. Wir würden dort von unten eine Schräge an die Zehenwand raspeln, um das Abrollen zu erleichtern und so eine bessere Biomechanik zu ermöglichen. Je nach Wandstärke kann die Schräge recht steil und auch etwas weiter durch die Wand geraspelt werden. Durch das leichtere Abrollen, bleibt der Huf länger am Boden, rollt ab, hat mehr Zeit für den nächsten Schritt, kann längere Schritte machen, kommt so weiter nach vorne und landet auf der Trachte, was wiederum den hinteren Hufbereich gut nutzt und weiterentwickelt.
Immer noch Beispiel lange Zehe aber anderes Pferd: Dein Pferd hat eine Zehenfußung, Zehe sieht lang aus, Sohle ist eher platt, mittlere Strahlfurche ist tief. Das Strahl-Zehe-Verhältnis ist lang. Wenn du hier genauso wie beim ersten Beispiel die Zehe stark anschrägst, kann das dazu führen, dass dein Pferd kürzere Schritte macht und schlechter läuft. Was ist dann passiert? Das Ermöglichen des längeren Schrittes durch das Anschrägen der Zehe führt dazu, dass dein Pferd den hinteren Hufbereich nutzen muss. Der Strahl möchte aber keine Last aufnehmen, da die mittlere Strahlfurche unangenehm tief ist. Somit versucht das Pferd durch kürzere Schritte und eine deutliche Zehenfußung dies zu vermeiden. Im blödesten Fall läuft es sich so die Zehe von unten noch arg ab und die Sohle wird im Zehenbereich dünn.
Was mache ich also im zweiten Beispiel? Ich saniere den Strahl (stopfen & schmieren), suche nach der Ursache für die tiefe mittlere Strahlfurche (HUF), schräge vielleicht nur minimalst die Zehe an, reite ggf. mit Hufschuhen und Polstern. So kann ich mittelfristig die Fußung verändern und dann auch an die lange Zehe herangehen. Wer hätte es gedacht: Kieselsteine wirken hier Wunder!
Individualität
Es gibt noch viele viele Beispiele in denen offensichtlich das selbe Problem (hier lange Zehe) vorliegt, die Herangehensweise aber je nach Pferd und Hufsituation deutlich voneinander abweicht.
Im Prinzip ist die Hufbearbeitung wie wir sie machen total einfach und aus unserer Sicht natürlich auch logisch, aber gleichzeitig auch total kompliziert, da es nicht die eine Lösung mit de fünf Schritten für das Problem XY gibt.
Wir haben einfach mal die Bearbeitung bei einem Pferd gefilmt. Dieser Wallach ist erst vor fünf Wochen bei uns eingezogen und soll bald in sein endgültiges Zuhause umziehen. Das heißt es sind viele Veränderungen in seinem Leben, die wir mit beachten müssen. Er hat eine alte Verletzung hinten rechts (Nageltritt), die ihm keine offensichtlichen Probleme mehr macht, aber seinen Körper scheint er noch recht schief zu nutzen. Weichteilgewebe war sehr unterentwickelt als er kam, ist immer noch deutlich verbesserungsbedürftig. Trotzdem hat er eine Trachtenfußung, was schon mal super ist.
Aber jetzt schau dir das Video einfach erstmal an. Wir haben nicht jedes Detail besprochen, aber so bekommst du eine Idee dazu wie wir Hufe bearbeiten. Oder sagen wir wie wir dieses Mal diese Hufe dieses Pferdes bearbeitet haben.
Gefahren bei der Hufbearbeitung
Darauf möchten wir noch kurz eingehen, denn auch hier sollte man sich sehr drüber bewusst sein. Auch, wenn ich mit der Hufbearbeitung kaum alle Mängel in Haltung und Fütterung ausgleichen kann, kann ich aber in kürzester Zeit ziemlich viel kaputt machen. Wir freuen uns über jeden, der sich der Auswirkungen bewusst ist und das Horn wertschätzt. Das hört sich total seltsam an, aber es ist schwer zu beschreiben. Bearbeite nicht auf Grund optischer Makel oder theoretischer Maße. Ein Huf, den ich in “die Balance” bearbeite, hat nur etwas davon, wenn das Pferd damit hinterher auch noch laufen kann. Da sind wir wieder beim Anfang: Weniger ist Mehr!
Häufig passiert eine “sehr enthusiastische” Bearbeitung auch, wenn die Hufe sich nicht wie gewünscht entwickeln oder nicht schnell genug. Statt dann noch mehr zu bearbeiten, gucken wir lieber was man an HUF noch verändern kann. Denn da haben wir so viele tolle Optionen und wie gesagt mehr Hufbearbeitung hilft meist nicht mehr.
Eine weitere Schwierigkeit ist das Kombinieren verschiedener Theorien. Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, wenn man sich aus allem das Beste raussucht, aber wenn ich dann bei einer Bearbeitung von Guru X übernehme, dass die Trachten ganz kurz sein müssen, und von Theorie Y, dass die Eckstrebe ausgegraben werden muss, und Lehrer Z sagt, die Zehe muss kurz sein, bleibt dem Pferd am Ende nicht mehr viel zum darauf Laufen. Viel informieren ist super, viel auf einmal anwenden nicht so super.
Was auch immer wieder vorkommt, ist eine sehr große Liebe zum Detail. Grundsätzlich lobenswert, aber auch hier lauert die Gefahr zu viel zu bearbeiten. Hat man die eine Ecke angeschrägt, fällt eine andere Ecke auf, die man bearbeiten möchte und dann die nächste…Hast du vielleicht auch schon mal erlebt. Wenn die erste Ecke bearbeitet ist, lass das Pferd doch erstmal ein paar Tage damit laufen und guck dann wieder neu hin.
“Die Natur regelt das schon.” Ja und nein. Wenn ich ein Pferd recht natürlich halte, regelt die Natur schon recht viel. Aber je mehr ich davon abweiche oder auch je mehr zum Beispiel eine Gliedmaßenstellung vom Ideal abweicht, desto mehr muss ich unterstützen. Also einfach alles sich selbst überlassen geht dann auch wieder nicht. Und es gibt auch Hufe, die sehr viel bearbeitet werden müssen.
Zusammengefasst ist das Ganze aber dann auch wieder so einfach wie zu Beginn beschrieben: Es gibt kein immer, kein nie, jedes Pferd und jeder Huf ist individuell. Hufe lesen, Dynamik mit einbeziehen und auf das Pferd hören – ganz einfach.