Wer kennt es nicht? Man ist total erfreut, weil man einen schönen Stall gefunden hat, das Pferd fühlt sich in der Herde wohl, hat vielleicht sogar einen guten Freund gefunden und dann kommt da die Problematik mit dem Idealgewicht. Denn in der Gruppenhaltung ist das nicht so einfach die Bedürfnisse jedes einzelnen Pferdes optimal zu erfüllen. Der eine wird zu dick, der nächste braucht viel Zusatzfutter…
Auch wir erleben das jeden Tag in unserer Herde, obwohl sie schon vom Pferdetyp sehr homogen ist. Trotzdem sind die Pferde unterschiedlich vom Stoffwechsel, vom Typ, von der Fressgeschwindigkeit, der Achtsamkeit, Stressanfälligkeit und der Verwertung und die Liste könnte noch weiter gehen. Sie sind in etwa gleichgroß, alle eher Ponies, alle hatten schon Hufrehe durch eine Stoffwechselerkrankung und dennoch sieht man bei gleicher Fütterung & Haltung bei dem einen die Rippen und der nächste trägt noch immer einige Kilos Übergewicht mit sich herum. Es ist gar nicht so einfach allen gerecht zu werden, aber genau das ist unsere Verantwortung. Auch in der Gruppenhaltung müssen wir individualisieren. Wir füttern grob 2 % des Körpergewichts an Heu pro Tag und wiegen das Heu ab. Damit kommen die meisten unserer Ponies gut hin, zumal sie auf dem Trail auch noch das eine oder andere knabbern. Aber mittlerweile ist es so, dass unsere drei kleinsten Ponies, verrückterweise die Kleinen, etwas schlanker sind. Einen Teil können wir über das Krippenfutter abfangen, aber wenn das nicht reicht, separieren wir sie für eine Extraportion Heu oder auch Gras. Im besten Fall machen wir das mehrmals täglich. Natürlich ist das aufwändiger, aber so können wir versuchen möglichst alle Ponies nah am Idealgewicht zu halten.
Dabei ist wichtig, dass das Idealgewicht keine fixe Zahl ist, sondern es geht darum die Pferde in einem gewissen Rahmen zu erhalten, der eine gute Gesundheit ermöglicht, es ist also quasi Prävention. Das Gewicht darf und sollte auch gern schwanken, aber wir müssen aufpassen, dass sie nicht in einen gesundheitsgefährdenden Bereich kommen. Wir gucken uns die Pferde jeden Tag mehrfach an und es ist erstaunlich wie unterschiedlich sie über den Tag aussehen können. Daher tauschen wir uns regelmäßig über unsere Einschätzungen aus und stellen bei Bedarf die Pferde auch auf die Waage.
Trotzdem sehen wir das im Moment nicht kritisch, wenn man ein bisschen mehr die Rippen sieht. Denn nach dem Winter können die Pferde gern ein bisschen schlanker sein. Das wäre auch der natürliche Rhythmus, denn im Sommer nehmen sie ja meist auch wieder zu. Und täten das alle Pferde, gäbe es wohl deutlich weniger Hufrehefälle. Wenn also im Frühjahr die Rippen etwas zu sehen sind, sollten wir uns doch eigentlich freuen?!
Mit dem Idealgewicht gibt es da aber so das eine oder andere Probleme, aber nicht etwa wegen der Pferde.
- Unser Auge wird geschult durch das, was wir häufig sehen. Leider sind das heutzutage deutlich mehr übergewichtige Pferde als normalgewichtige Pferde. Das heißt, wenn wir normalgewichtige oder sogar schlanke Pferde sehen, finden wir sie meist direkt zu dünn.
- Das ergibt gleich das nächste Problem, denn viele Menschen geben gern ihre Meinung zum Besten und man wird mit einem schlanken Pferd manchmal fast gemobbt. Ständig muss man sich rechtfertigen.
- Das Gewicht allein ist natürlich auch nicht wirklich aussagekräftig. Es kommt zudem auf die Muskelmasse, die Fettmasse und auch die Fettverteilung an und natürlich den Gesundheitszustand.
- Da ist schon wieder das nächste Problem: Die meisten Menschen können nicht unterscheiden, ob es sich um Muskeln oder Fett handelt. Und die meisten dicken Pferde sehen zwar rund aus, sind aber selten gut bemuskelt.
- Das ist auch bei unserer wilden Herde ein “Problem”. Sie haben tatsächlich nur Muskulatur für ihr alltägliches Leben, keine Reitmuskulatur. Auch das ist ein Unterschied im Erscheinungsbild.
- Auch das gesunde Abnehmen ist gar nicht so einfach. Die Pferde sollten nicht runtergehungert werden, sondern möglichst optimiert gefüttert werden und dann entsprechend Bewegung & Training bekommen.
- Wir erleben aber auch das gegenteilige Problem, dass Pferdebesitzer Polster an ihren Pferden sehen, die schon sehr schlank sind. Da ist dann oft fehlende Muskulatur das Problem.
- Und wenn wir unsere Pferde täglich sehen, verlieren wir einfach auch schnell mal den Blick fürs Idealgewicht.
Mit 24 Stunden Fütterung Mit angepasster Fütterung
Bei uns ist es von Vorteil, dass wir zu zweit sind und unabhängig voneinander die Pferde betrachten. Auch, wenn einer von uns mal ein paar Tage auf Tour ist, sieht man die Figur der Ponies nochmal anders oder vor allem die Veränderungen. Außerdem wiegen wir die Pferd, okay, die Wilden nicht, und machen regelmäßig Fotos. Es ist Wahnsinn, was man da zum Teil für Unterschiede sieht. Aber es sollte schon in etwa dieselbe Perspektive sein, darauf solltest du achten. Außerdem kann man mit Hilfe von Maßbändern oder dem Body Condition Score versuchen sein eigenes Pferd objektiver einzuschätzen.
Aber um nochmal zum Ausgangspunkt zurückzukommen: In den wenigsten Fällen klappt es eine Herde gleich zu füttern, noch seltener klappt es mit einer 24 Stunden-Fütterung alle Pferde der Herde im Bereich des Idealgewichtes zu halten. Es kann klappen, aber häufiger geht es wohl schief.
Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht wirklich mehrere Portionen über den Tag verteilt zu füttern und auch einige Futterstellen anzubieten, damit auch jedes Pferd an Futter kommt und Bewegung dabei ist. Zudem ergänzen wir, wie gesagt, über das individuelle Krippenfutter und wenn das noch nicht reicht, hilft es nur zu separieren, sei es für mehr Futterpausen oder eine Extraportion. Vor allem muss man immer wieder gut hingucken und anpassen, denn wenn man was ändert, verändert sich was.
Was hat das Ganze jetzt mit Hufen zu tun? Sowohl Übergewicht als auch eine Unterversorgung führt früher oder später zu Hufproblemen. Meist innerlich durch Stoffwechselerkrankungen oder Mangelsituationen im Nährstoffbereich oder auch äußerlich, wenn bei dicken Pferden die Hufe zum Beispiel der Last nicht mehr standhalten oder schiefer abgenutzt werden, weil der Speck im Weg ist. Genauso kann sich auch bei zu dünnen Pferde mit wenig Muskulatur die Abnutzung der Hufe verändern.
Also schau genau hin und such dir Möglichkeiten das Gewicht und die Futtersituation deines Pferdes objektiv zu beurteilen. Und schau dir häufiger mal Pferde an, die Idealgewicht haben, um dein Auge zu schulen.