Wann darf ich mein Pferd nach der Hufrehe wieder bewegen?

Die Frage, wann ein Pferd nach der Hufrehe wieder bewegt werden darf, ist wohl eine der wichtigsten. Denn Bewegung ist das, was ein Pferdeleben ausmacht. Unter Bewegungsmangel leidet nicht nur die Psyche, sondern auch sämtliche Strukturen des Pferdekörpers.

Besonders Knorpel, die nur durch das umliegende Gewebe versorgt werden können, wenn eben Bewegung da ist, oder auch die Lunge tragen Schäden davon, wenn man zu lange nach einer Hufrehe wartet, die Pferde wieder zu bewegen. Und dann ist da oft noch das Übergewicht, dass durch die Stehzeit nicht weniger wird und eine Radikaldiät ist aus unserer Sicht meist abzulehnen. Auf der anderen Seite sind die Hufe durch die Veränderungen der Hufbein-Wand-Verbindung nicht wirklich stabil und ein Zuviel an Bewegung könnte den Heilungsprozess stören oder sogar verhindern. Oder kann Bewegung sogar einen erneuten Schub auslösen?

Wenn du also nicht wahnsinnig bist, sondern wahnsinnig daran interessiert bist, dass es deinem Pferd gut geht, kannst du nun dein Unwohlsein nutzen und mit folgenden Schritten die Angst überwinden:

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Hufrehe – das sind die Hintergründe

  • Die Schäden sind meist auch schon vor der sichtbaren Hufrehe vorhanden.

Die allermeisten Hufrehe-Fälle sind endokrinen Ursprungs. Wenn du dazu mehr wissen möchtest, kannst du dir den Leitfaden zu dem Thema für 0€ herunterladen.

Aber wichtig zu wissen: Die endokrine Hufrehe entwickelt sich schleichend. Die Schäden in der Hufbein-Wand-Verbindung entstehen, lange bevor die Pferde schlecht laufen, bzw. das typische Bild einer akuten Hufrehe zeigen. Durch hohe Insulingehalte im Blut (Hyperinsulinämie) ziehen sich die Gefäße im Huf zusammen, die Lamellen leiern aus und die Verbindung zwischen Knochen und Hufwand wird instabil. Wann es genau zum akuten Reheschub kommt, ist nicht bekannt. Aber wir wissen mittlerweile, dass es eben nur sekundär zu Entzündungsprozessen kommt bei der endokrinen Hufrehe, warum die Entzündungswerte im Blut oft nicht auffällig sind und auch die Hufe nicht unbedingt auffallend warm sein müssen. Das heißt, dass viele ihre Pferde eben mit schon kranken Hufen bewegen, bevor sie merken, dass eine Hufrehe vorliegt.

  • Je eher ich erkenne, dass mein Pferd eine Insulinproblematik hat, desto eher kann ich etwas verändern und in den meisten Fällen könnte ein akuter Hufreheschub verhindert werden.

Die frühen Anzeichen können sein: Fühligkeit, Fettdepots (besonders am Mähnenkamm oder an der Kruppe), oft kein Sättigungsgefühl, Auffälligkeiten im Verhalten – lethargisch, ‘zickig’, leistungsschwach, Auffälligkeiten an den Hufen – Regelmäßige Ringe, dünne Sohlen, weghebelnde Wände. Wenn du das bei deinem Pferd beobachtest, nimm das unbedingt ernst! So kannst du euch viel Leid ersparen.

  • Fettleibigkeit ist krankhaft und darf nicht verniedlicht werden!

Oft erkennen wir gar nicht mehr, dass ein Pferd übergewichtig ist, da dieses Bild von Pferd uns mittlerweile so geläufig ist, dass wir dick als normal ansehen und krankhaft übergewichtig als ‘moppelig’ verniedlichen. Es gibt Studien dazu, dass Pferdebesitzer zum Großteil nicht erkennen, dass ihr Pferd adipös ist. Daher mach dir messbare Werte zu nutze wie den Body Condition Score (BCS) und den Cresty Neck Score (CNS) und mach regelmäßig Fotos und Videos von deinem Pferd, um die Entwicklung wahrzunehmen und dein Auge zu schulen. Bitte ggf. einen Experten einen Blick auf das Körpergewicht deines Pferdes zu werfen. Denn genau das ist Prävention! An dieser Stelle ist nochmal gesagt: Übergewicht ist grundsätzlich nicht gesund, aber nicht jedes dicke Pferd bekommt eine Hufrehe und nicht jedes dünne Pferd ist davor sicher. Also auch die anderen Anzeichen mit einbeziehen.

Du weißt nicht, wie du die wichtige Reha-Zeit für dein Rehepferd gestalten sollst? Im Rehakurs findest du einen konkreten Plan:

Worauf muss ich denn jetzt achten? Wann kann ich mein Pferd wieder bewegen?

  1. Lahmfrei ohne Schmerzmittel

Grundsätzlich ist immer die Regel, dass ein Pferd in der Gangart schmerzfrei sein muss, in der ich es bewege. Wichtiger Zusatz: Es darf dabei keine Schmerzmittel bekommen! Aus unserer Erfahrung entstehen die größten Schäden, wenn man die Pferde in oder nach der Hufrehe unter Schmerzmittel bewegt oder auch im Paddock & Co. sich frei bewegen lässt und sie wild abspacken.
Ist dein Pferd im Schritt lahmfrei und bekommt keine Medikamente, kannst du mit Hufschuhen und Polstern anfangen spazieren zu gehen – nur im Schritt und möglichst geradeaus

  1. Achte auf dein Pferd

Besonders wichtig ist dabei auf dein Pferd zu achten. Wie gehfreudig ist es? Was zeigt seine Mimik? Schau dir dazu mal den Horse Grimace Scale an, der dir hilft Schmerzanzeichen im Gesicht deines Pferdes zu lesen. 

  1. Steigere die Länge und Anstrengung 

Wie bei uns auch, solltest du nach einer Krankenphase erstmal mit kürzeren und weniger anstrengenden Strecken starten. Steigere die Zeit, Länge und Anstrengung eurer Ausflüge langsam. Geht es deinem Pferd gut, kannst du es auch mehrfach täglich bewegen, denn durch Bewegung hast du einen positiven Einfluss auf den Insulinspiegel.

Und wie ist das im Paddock?

Bei unseren Rehapferden handhaben wir das so, dass die Pferde, sobald sie keine Schmerzmittel mehr bekommen, sich frei im Paddock bewegen dürfen. Sie tragen dabei zum Teil Hufschuhe und/oder haben hufgeegenete Böden als Untergrund. Wir verteilen auch das Heu an verschiedenen Stellen im Paddock, damit sie zur Bewegung motiviert werden. Du musst darauf achten, dass dein Pferd in dieser Zeit seine Bewegungen selbst entscheiden kann. Es sollte nicht von anderen geschickt werden oder andere vehement wegschicken. Manchmal müssen sie daher separiert bleiben, manchmal klappt das hervorragend mit einem Pferdekumpel zusammen. Die verschiedenen Heustellen entspannen auf jeden Fall auch die Situation und die Bewegung in der Freizeit deines Pferdes hilft nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental.

Ein gut gestalteter Paddock, passende Untergründe und ein netter Freund an der Seite helfen bei der Rehe-Reha.

Wann darf ich wieder mehr belasten? 

Unter mehr belasten verstehen wir, dass du wieder Kreisbahnen und Wendungen mit einbeziehst und dein Pferd in schnelleren Gangarten bewegst. 

  1. Lahmfreiheit

Auch hier ist es wieder entscheidend, dass dein Pferd in den Wendungen und Gangarten schmerzfrei ist. Nur dann solltest du dein Training steigern! Achte auch hier wieder auf die Mimik. 

  1. Der Huf sollte mindestens zur Hälfte, besser ⅔ wieder stabil eingewachsen sein.

Erst wenn die Wand von oben wieder mindestens zur Hälfte gerade und stabil nachgewachsen ist, hat das Hufbein wieder eine relativ sichere Verbindung zur Wand. Vorher besteht immer die Gefahr, dass die noch fragile Hufbein-Wand-Verbindung wieder Schäden erleidet. Nutze trotzdem noch Hufschuhe, ggf. mit Polstern als Unterstützung oder bleibe auf weichem Boden.

  1. Steigere mit Verstand

Achte darauf, dass du nur schrittweise steigerst, also entweder Wendungen oder ein höheres Tempo ins Training einbaust, also nicht direkt mit Trabvolten starten, sondern erst auf gerader Strecke traben oder im Schritt erst größere mit der Zeit auch engere Wendungen mit einbauen. Und nach und nach die Anforderungen steigern. 

Jetzt ist auch die Zeit, wo dein Pferd vielleicht wieder in eine größere harmonische Gruppe integriert werden kann. Hier bitte unbedingt auch mit Hufschuhen arbeiten und ggf. die gemeinsame Zeit noch begrenzen. Vor allem darf hier die Fütterung nicht darunter leiden!

Wichtig: Hufe müssen erst die Strukturen so gut entwickeln, dass sie belastbar sind.

Du kannst unterentwickelte oder kranke Hufe nicht trainieren, indem du sie Reizen aussetzt, denen sie noch nicht gewachsen sind. Das angenehme, lockere und schmerzfreie Laufen ist immer Priorität und muss ggf. mit Hufschuhen, Polstern oder dem entsprechenden Boden ermöglicht werden.

Passende Hufschuhe, die gegebenenfalls gepolstert werden, können Rehe-Pferden dabei helfen, locker und schmerzfrei zu laufen, auch wenn die Hufe der Belastung ohne Schutz noch nicht gewachsen wären.

Wann darf ich wieder reiten und mein Pferd normal bewegen?

Dass dein Pferd lahmfrei sein sollte, müssen wir wohl an dieser Stelle nicht noch einmal erwähnen. Ebenso, dass die Hufe wieder stabil, also gern ⅔ oder komplett durchgewachsen sein müssen. Wie lange das dauert, ist von Pferd zu Pferd und Situation zu Situation  unterschiedlich und natürlich ist deine Umsetzung und Optimierung während der Reha maßgeblich. Wir hatten schon Pferd, deren Hufe innerhalb von vier Monaten komplett durchgewachsen waren und es gibt Pferde, die mehr als einmal durchwachsen müssen, damit der Huf wieder belastbar wird. Und natürlich gibt es leider auch immer wieder Fälle, bei denen die Schäden so groß sind, dass die Hufe nicht mehr belastbar werden. Das sehen wir eben besonders bei Pferden, die lange Schmerzmittel bekommen haben, die zu früh belastet werden oder bei denen eben schon sehr lange die Symptomatik nicht erkannt oder ernst genommen wurde.

Ein weiterer wichtiger Punkt, der gern vergessen wird: Dein Pferd muss vom Boden wieder antrainiert werden, um tragen zu können. Eine lange Steh- und Rehaphase hat auch immer den Abbau von Muskulatur und mehr oder weniger Schonhaltung und Kompensation zur Folge. Daher ist es wichtig hier gemeinsam mit Trainer, Physiotherapeut & Co einen Plan zu entwickeln, der dein Pferd wieder auf das Reiten vorbereitet. Es ist ein Trugschluss, dass “nur ein bisschen im Schritt”-Draufsetzen diese Vorbereitung nicht benötigt. Gerade im Schritt können wir sehr schaden, wenn wir uns auf ein untrainiertes Pferd setzen.

Unterschätze nicht die Freizeit des Pferdes!

Zum Abschluss möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass wir nicht nur an die Bewegung mit uns denken sollten, sondern vor allem an der Bewegung in der Haltung arbeiten sollten. Die Möglichkeiten und vor allem die enormen Vorteile, die Bewegungsanreize in der Haltung bringen, werden aus unserer Sicht noch unterschätzt.

Ein Pferd, dass sich über den Tag verteilt mehrere Kilometer im Schritt fortbewegt auf der Suche nach Futter, dabei vielleicht den einen oder anderen Baumstamm oder Hügel überwindet, sich biegt und den ganzen Körper benutzt, hat natürlich einen großen Vorsprung in der Reha zu Pferden, die wir eben nur aktiv bewegen, wenn wir da sind. 

Daher überleg dir, wie du mehr Bewegung in den Alltag deines Pferdes bringen kannst und lies gern dazu unseren Blogbeitrag: 5 Tipps für mehr Bewegung im Pferdeleben.

Denn diese Art von Bewegung schult den ganzen Körper, holt die Pferde eher aus Kompensationsmustern und Schonhaltungen heraus und ist vor allem sehr gut für ihr Wohlbefinden und ihre Zufriedenheit!

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