Welcher Hufschutz macht bei einem Rehepferd in welcher Situation Sinn?

Vor- und Nachteile von Rehebeschlag, Duplo, Hufschuhen & Co

Es ist immer noch sehr gängig im Falle einer Hufrehe einen Beschlag zu empfehlen. Zwar gibt es mittlerweile deutlich mehr Varianten mit unterschiedlichen Materialien und Polstern, aber am Ende ist jeder Hufschutz, ob genagelt oder geklebt, für eine gewisse Zeit fest am Huf – also permanent. Auf der anderen Seite gibt es den temporären Hufschutz, also wie Hufschuhe, die man z.B. nur stundenweise anzieht oder eben auch mal über ein paar Wochen trägt. Den temporären Hufschutz man kann aber eben im Gegensatz zum permanenten Hufschutz eben jeder Zeit aus- und anziehen, und man muss das auch tun.

Schon mal vorab: Jede Variante hat ihren passenden Einsatzzweck, Vor- und Nachteile, aber wir sind ganz klar der Ansicht, dass in einem Hufrehefall die Vorteile des temporären Hufschutzes das Rennen machen. Warum erfährst du hier und vor allem auch warum man trotzdem nicht zu dogmatisch an die Sachen gehen darf.

Damals & heute – Was hat sich verändert?

Bei meinem Pferd wurde vor fast zwanzig Jahren eine Hufrehe diagnostiziert, weil er zu kurz bearbeitet wurde. Mir wurde empfohlen einen Rehebeschlag anbringen zu lassen. Das wars eigentlich.

Mittlerweile weiß ich, dass er keine akute Rehe hatte, aber definitiv zu invasiv bearbeitet wurde und unter der Oberfläche eine Stoffwechselentgleisung im Gange war. Aber so differenziert wusste das damals noch niemand so richtig.

Erschreckend ist, dass sich die Vorgehensweise bis heute nicht so richtig geändert hat. Immer noch wird ein Rehebeschlag empfohlen, manchmal mit Polster oder Keil und mittlerweile mit anderen Materialien und Techniken, und dann, wenn die schlimmste Phase vorbei ist, wird alles wieder gemacht wie vorher. Keine richtige Diagnostik, keine Behandlung der Ursache. Und dann wundert man sich, dass das Pferd nach zwei, drei Jahren wieder einen Schub bekommt – aus heiterem Himmel – oder beim Röntgen auch nach Jahren die Folgen der Rehe noch sichtbar sind.

Die Idee eines Hufschutzes

Grundsätzlich ist natürlich die Idee hinter jedem Hufschutz, dass das Pferd weniger Schmerzen hat und schnell wieder besser laufen kann. Was dabei aber nicht vergessen werden darf ist, dass der Schutz der Hufe oder das Abpolstern eben nur ein Symptom lindern. Kein Rehebeschlag, Duplo, Klebeschuh oder auch Hufschuh der Welt kann die Ursache der Hufrehe behandeln. Und das ist das große Problem: Wenn das Pferd wieder besser läuft, vergisst man den Rest.

Wir gehen mal von unserer Situation aus: Mindestens 95% der Rehepferde, die wir treffen haben EMS und/oder PPID, also eine endokrine Hufrehe. Viele bekommen zwar als Diagnose ‚Belastungsrehe‘, aber auch von denen sind 99% der Pferde, die bei uns in die Beratung kommen, wenn man genau hinsieht eben doch auch endokrine Hufrehe-Kandidaten.

Warum das wichtig ist? Weil die Behandlung eben nicht primär an den Hufen stattfindet. Sprich der Hufschutz allein eben gar nichts grundsätzliches verbessert.

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Gucken wir uns trotzdem mal die Vor- und Nachteile an, denn natürlich macht es Sinn einen Hufschutz bei einer Hufrehe zu nutzen.

Beschlag oder Bekleb – Einmal dran und fertig

Der permanente Hufschutz hat den großen Vorteil, dass man sich im Prinzip erstmal nicht weiter darum kümmern muss. Wenn er dran ist, ist er dran und bleibt im Normalfall bis zum nächsten Beschlags-/Beklebtermin auch dran. Es gibt mittlerweile unendlich viele Möglichkeiten diesen Hufschutz sehr individuell anzupassen, sei es mit unterschiedlichen Materialien, der Form an sich oder verschiedensten Möglichkeiten der Polster- oder Befestigungstechnik.

Viele Pferde laufen mit einem permanenten Hufschutz sehr schnell erstmal besser und der Abrieb wird verhindert. Alle Hufstrukturen sind erstmal weiter weg vom Boden, die Beweglichkeit wird eingeschränkt (was auch mal positiv sein kann) und man kann am Huf deutlich mehr korrigieren, weil ja hinterher der Hufschutz angebracht wird.

Die meisten Tierärzte haben positive Erfahrungen mit dem permanenten Hufschutz gesammelt, sonst würden sie ihn nicht empfehlen.

Aber es gibt eben auch die Nachteile, die so ein fest angebrachter Hufschutz mit sich bringt.

Denn ist er einmal dran, ist es eben dran. Die Bearbeitung der Hufe kann nicht in kurzen Intervallen durchgeführt werden, sondern erst wieder beim nächsten Wechsel. Das hat meist auch zur Folge, dass die Veränderungen relativ stark sind bei der nächsten Bearbeitung und ggf. sogar etwas auf ‚Vorrat‘ bearbeitet wird. Dann darf der Schutz definitiv auch nicht zwischendurch verloren gehen, denn viele Pferde laufen dann richtig schlecht, weil die Hufe einfach sehr kurz sind.

Außerdem, auch wenn die Materialien schon recht gut anpassbar sind, muss der Huf trotzdem in eine relativ ‚gute‘ Form gebracht werden. Auch hier ist die Bearbeitung mitunter dann recht invasiv.

Gerade im akuten Fall kann auch die Zeit des Anbringens, wenn das Pferd auf drei Beinen stehen muss, für das Pferd sehr schwierig sein. Obwohl viele Kollegen da wirklich sehr geübt und da unheimlich schnell im Handling sind.

Ein großer Nachteil ist auch die Lastverteilung. Natürlich je nach Anbringung ist sie sehr variabel, aber wir als Fachmann entscheiden wo welches Polster wie dick reinkommt. Ist es einmal angebracht und das Pferd findet es nicht so toll, ist der Aufwand relativ groß nochmal was anderes auszuprobieren. Zudem werden manche Polster viel zu hart und sorgen so bei nicht ganz akkurater Anbringung für Nekrosen. Andere Polster sind so weich, dass das Horn darunter nicht mehr komprimiert und viel weniger belastbar bleibt.

Was für uns auch manchmal schwer nachvollziehbar ist: Wenn Hufe von unten stark bearbeitet werden, also der natürliche Schutz weggenommen, und dann ein künstlicher angebracht wird. Meinen wir wirklich, dass wir das besser wissen als das Pferd?

Permanenter Hufschutz ohne Polster, wie es damals noch bei meinem Pferd der Fall war und auch noch viel praktiziert wird, sorgt für eine rein periphere Belastung. Sprich der Tragrand trägt die Hauptlast, was erstmal logisch erscheint, aber bei näherer Betrachtung einfach keinen Sinn macht. Bei einem gesunden Huf trägt der Tragrand einen Teil mit, aber nicht die gesamte Last allein. Bei einem Pferd mit Hufrehe ist die Verbindung zwischen inneren und äußeren Strukturen gestört. Das hat zur Folge, dass wenn ich das Pferd zwinge nur mit der Wand, also dem Tragrand, das gesamte Gewicht zu tragen, ich die eh schon gestörte Verbindung noch stärker strapaziere. Der Weg zu mehr Rotation und Absenkung ist also frei. Wenn dann noch von unten bearbeitet wird, aus Angst vor Druck auf die inneren Strukturen, hat das Pferd auch wirklich kaum noch ein Fundament, das die Folgen aufhalten könnte. Die Folgeschäden einer Hufrehe sind dann meist deutlich schlimmer bzw. es wird gar nicht erwartet, dass die Schäden reversibel sind, da das so auch nicht funktionieren kann, anders aber eben schon.

Gucken wir uns den temporären Hufschutz an.

Der ist dann immer besser? Nein, leider auch nicht.

Die Vorteile sind hier, wie die Bezeichnung schon sagt, dass er nur temporär dran ist. Hufschuhe können regelmäßig an- und ausgezogen werden und die Pferde bekommen nur dann den Schutz, wenn sie ihn wirklich brauchen.

Meist ist das Laufen mit Hufschuhen auch direkt angenehmer für das Pferde, trotzdem kaschiert es eben nicht so viel wie ein fester Hufschutz. Nachteil: Mein Pferd braucht vielleicht etwas länger bis es deutlich besser läuft. Vorteil: Ich bekomme ein echtes Feedback und eine viel bessere Einschätzung der Situation.

Auch Hufschuhe verhindern den Abrieb, es gibt sie in verschiedensten Varianten, Möglichkeiten zu polstern oder eben nicht. Die Polster können aber schnell und einfach ausgetauscht und herumprobiert werden.

Außerdem ist eine Hufbearbeitung in kurzen Abständen möglich, die kleinere Korrekturen zulässt und der Huf kann viel besser selber anzeigen, was er gerade braucht.

Aber auch hier gibt es Nachteile. Denn die Schuhe müssen regelmäßig allerspätestens jeden zweiten Tag, besser jeden Tag, kontrolliert, gereinigt, an- und ausgezogen werden. Besonders bei Matschwetter kein Spaß, aber notwendig. Meist macht es auch Sinn ein Wechselpaar zu besitzen, was die Anschaffungskosten erstmal in die Höhe schießen lässt, den Alltag aber sehr viel angenehmer macht.

Hufschuhe sind nur bis zu einem gewissen Grad manipulierbar. Sie können weniger stark an die Hufe angepasst werden als ein Eisen, geben dem Huf dafür aber innerhalb des Hufschuhs mehr Flexibilität und Möglichkeiten der Entwicklung.

Und, warum auch manch ein Tierarzt nicht so begeistert ist: Hufschuhe können verloren werden (okay Eisen auch) oder können scheuern. Besonders wenn ein falsches Modell genutzt wird, die Hufschuhe nicht richtig gereinigt werden oder die Pferde sehr empfindlich sind, kann es zu Scheuerproblemen, im noch schlimmeren Fall zu Nekrosen kommen. Warum Tierärzte Hufschuhe manchmal nicht mögen? Weil sie eher mit den Fällen zu tun haben, wo Hufschuhe Probleme machen, als mit den Fällen, wo es gut funktioniert, denn ohne Wunden braucht man keinen Tierarzt (also für die Hufrehe an sich schon).

Man darf aber auch nicht vergessen, dass sich der Hufschuhmarkt in den letzten Jahren sehr weiterentwickelt hat und es mittlerweile sehr gute Rehaschuhe, z.B. den Equine Fusion All Terrain Ultra, gibt.

Was auch passieren kann sind Schweißhufe und Fußpilz. Das Klima in den Hufschuhen kann bei entsprechend ungünstigem Wetter oder Haltung mitunter suboptimal sein. Hier sind die Pflege, Reinigung und die gute Beobachtung des Besitzers wirklich wichtig.

Wie mache ich es jetzt richtig?

Richtig ist tatsächlich sehr individuell.
Wir sind ganz klar Team Temporär, weil hier eben die Vorteile im Zuge der Reha deutlich überwiegen aus unserer Sicht!

Warum macht es dann trotzdem Sinn in manchen Fällen die Hufe permanent zu schützen?
Es kommt eben auf die Situation an. Nicht jeder kann zuverlässig die Hufschuhe täglich an- und ausziehen. Sei es aus Zeitgründen, gesundheitlichen oder anderen. Ist die Betreuung nicht gewährleistet, kann ich dem Pferd auch mehr schaden, als helfen. Es gibt auch Pferde, die ihr Leben lang beschlagen sind oder wo einfach die äußeren Bedingungen nicht passen für die Umstellung auf Barhuf bzw. Hufschuhe. Wenn sie damit zurechtkommen, warum auf Biegen und Brechen etwas verändern? Wir sind keine Fans von ‚jedes Pferd muss barhuf laufen‘.

Trotzdem muss man immer zu bedenken geben, dass die besten Chancen, wieder eine gesunde Hufsituation zu entwickeln, die grundlegende Behandlung in Kombination mit einem temporären Hufschutz und einer ‚unterstützenden‘ Bearbeitung sind.

Was heißt jetzt schon wieder unterstützende Bearbeitung?

Ein Rehehuf darf nicht in die Form oder Balance eines gesundes Hufes gezwungen werden!

Ein Rehehuf ist nicht gesund. Ein Huf der nicht gesund ist, zeigt dies und sollte auch nicht optisch in eine gesunde Form gezwungen werden oder nach den normalen Ideen zu Balance , Maßen oder Verhältnissen bearbeitet werden.

Heißt das, ich überlasse ihn sich selber und das Pferd wird es schon richten? Nein, das heißt, ja, wenn ich die optimalen Bedingungen schaffe (HUF – Haltung, Untergrund, Fütterung – und Bewegung). Aber sind wir mal realistisch: Viele Pferde brauchen Unterstützung in Form von Hufbearbeitung. Aber eben nach ihren Vorgaben und abgestimmt auf Funktionalität und Rehabilitation, nicht auf eine bestimmte Optik.

Die meisten Hufe bei uns in Reha durchlaufen eine Phase, in der sie fürchterlich aussehen, aber sie durchlaufen sie – Wortspiel im doppelten Sinne: Die Pferde laufen oft schon ziemlich gut, auch wenn die Hufe noch suboptimal aussehen und sie durchlaufen diese Phase bis der Huf soweit ist, dass er wieder normaler aussieht (abhängig von den strukturellen Schäden). Es ist also eine Übergangzeit.

Der wichtigste Punkt für das Pferd ist, dass es wieder gut laufen kann, ohne Schmerzmittel. Wie die Hufe aussehen ist erstmal egal – dem Pferd und uns zumindest.

Wenn es jemandem nicht egal ist, wird er mehr bearbeiten und eine bestimmte Form herstellen, eine statische Form, die nicht unbedingt etwas mit der Funktionalität zu tun hat. Dann macht ein permanenter Hufschutz wahrscheinlich wieder mehr Sinn, damit das Pferd weiter laufen kann. Aber da beißt sich die Katze eben in den Schwanz…

Ein Apell zum Schluss: Egal für welche Form des Hufschutzes du dich entscheidest: Nicht vergessen, dass die Hufe nur ein Symptom sind und die Ursache unbedingt behandelt werden muss!

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