Klebebeschlag – the easy way out?

Wenn du als Barhufbearbeiter deine Arbeit nicht in Frage stellen möchtest, klebst du halt etwas drunter.

Etwas provokant, aber nicht ganz falsch. Der Trend geht dahin, dass auch Barhufbearbeiter sich in Richtung Bekleb- oder alternativer Beschlag fortbilden. Grundsätzlich sind wir riesen Fans von Weiterbildung, trotzdem macht es uns etwas stutzig, dass eben immer mehr Kollegen Kundenpferde betreuen, bei denen Barhuf nicht klappt und ein permanenter Schutz angebracht wird.

Verrückterweise ist das nämlich auch Barhufbearbeitern erlaubt. Gesetzlich geregelt ist lediglich der Eisenbeschlag, der ausschließlich von staatlich anerkannten Hufbeschlagschmieden angebracht werden darf. Und natürlich gilt für jede Leistung rund um das Pferd das Tierschutzgesetz, das regelt, dass wir entsprechende Fachkenntnisse haben müssen und dem Tier nicht ohne Grund Schmerzen oder Schäden zufügen dürfen. Also ist es mittlerweile eben auch so, dass viele Hufbearbeiter, die eigentlich eine Ausbildung zum Barhufbearbeiter gemacht haben, auch kleben oder nageln – also gegebenenfalls auch den Huftechniker noch dranhängen oder eben einen Wochenendkurs zu diesen Themen belegen.

Aber warum ist so ein permanenter Hufschutz nötig? Wir sehen da verschiedene Möglichkeiten:

  • Die Hufbearbeitung stört das Pferd dabei, einen gesunden Huf hinzubauen. Vielleicht sollte hier die Hufbearbeitung nochmal kritisch beäugt werden.
  • Die Einflussfaktoren auf die Hufgesundheit werden nicht berücksichtigt. Die Umgebung, Nutzung, die Fütterung – nimm diese Punkte mit in deine Beratung und Begutachtung auf.
  • Du gehst einfach mit dem Trend und alle bekleben jetzt auch. – Auch eine Entscheidung.
  • Barhuf klappt eben doch nicht wirklich. – Daran glauben wir nun wirklich nicht. Aber Barhuf gibt dir ein echtes Feedback zurück.

Zu diesen Punkten möchten wir ein paar Gedanken loswerden. Fangen wir mit dem letzten Punkt an:

#1: Barhuf klappt eben doch nicht.

Diese Erfahrung können wir aus unserer Praxis nicht teilen – obwohl es natürlich Pferde, Situationen, Phasen gibt, in denen ein Schutz notwendig ist. Wir arbeiten dann mit Hufschuhen, damit wir einfach regelmäßiger an die Hufe kommen und dem Pferd eben nur dann den Schutz bieten können, wenn er wirklich gebraucht wird. Ausnahmen bestätigen die Regel: Es gibt Pferde bei denen wir einen permanenten Hufschutz bevorzugen: Hufbeinfraktur, sehr hautempfindlich, Besitzer kann nicht jeden Tag die Schuhe kontrollieren als Beispiele.

Selbst im Sport sieht man mittlerweile immer mehr Pferde, die barhuf Hochleistungen vollbringen. Also generell würden wir mal behaupten, dass barhuf funktionieren kann.

#2: Du gehst mit dem Trend – alle anderen bekleben halt auch.

In den Hufbearbeitungsschulen und auch außerhalb werden viele Weiterbildungen im Bereich Bekleb- oder alternativer Beschlag angeboten. Wir haben eine solche Veranstaltung auch besucht, damals waren wir als Barhufbearbeiter noch Exoten unter den Schmieden und es wurde überlegt, ob Barhufbearbeiter überhaupt teilnehmen dürfen. Wir durften. Und es ist super so eine Alternative im Hinterkopf zu haben für eben genannte Ausnahmen, aber für uns war klar, dass das kein Teil unserer täglichen Arbeit werden wird.

Wenn du aber jetzt die Ausbildung gemacht hast und deine Kollegen alle auch kleben können, dann fühlt es sich bestimmt gut an, auch mitreden zu können. Gerade als Berufseinsteiger hat man vielleicht noch nicht den Überblick, ist froh über jeden Trick den man lernt und natürlich hat man auch noch nicht zu allem eine Meinung. Also macht man den Trend mit. 

Kurz: Den Trend zum alternativen Beschlag oder Bekleb sehen wir grundsätzlich als sehr positiv an, nur manche Hintergründe zum Einsatz finden wir nicht ganz richtig. Die Grundlage ist immer eine funktionale Hufbearbeitung. Wenn da der Fehler liegt, vertuscht der Hufschutz nur.

#3: Die Einflussfaktoren auf die Hufgesundheit werden nicht berücksichtigt.

Hier gibt es wieder verschiedene Seiten: Vielleicht ist deine Idee, dass du mit der Hufbearbeitung alles in den Griff bekommst. Kommst du da an die Grenzen, greifst du zum Beispiel zum Klebeschuh. Dir sind andere Ansatzpunkte vielleicht gar nicht bewusst. Oder sie sind dir bewusst, aber du hast die Erfahrung gemacht, dass die Pferdebesitzer eh nichts verändern und deshalb sprichst du die Haltung oder Fütterung gar nicht an. Oder du hast selber noch zu wenig Erfahrung, wie super toll eine optimale Fütterung oder Kieselsteine sich auf die Hufgesundheit auswirken können.

Ganz klar unsere Empfehlung: Probier’ es bei deinen Pferden aus! Ist sehr faszinierend! Eine weitere Option, die wir auch sehr gut kennen: Du redest dir den Mund fusselig und es wird trotzdem nur sehr wenig umgesetzt. Manchmal braucht es eben ein bisschen länger bis sich etwas verändert.

#4: Die Hufbearbeitung stört das Pferd dabei, einen gesunden Huf aufzubauen.

Hier treffen wir mit Sicherheit einen wunden Punkt. Trotzdem möchten wir ihn ansprechen, denn wenn du schon bis hier gelesen hast, möchten wir dir nicht diese riesen Wirkung vorenthalten, die du mit deiner Hufbearbeitung erreichen kannst. Das Geheimnis: Es kommt mehr darauf an, was du nicht bearbeitest, als darauf, was du bearbeitest. Okay, zugegeben, so ein riesen Geheimnis ist es nicht. Aber wer hält sich im Alltag wirklich daran? Überlegst du noch, ob du den Strahl jetzt schön schneidest oder die Eckstrebe entfernst oder setzt du das Werkzeug an, um eben deine normalen Arbeitsschritte durchzuführen? Guckst du dir die Fußung an und überlegst du, was deine Bearbeitung für einen Einfluss hat oder balancierst du den Huf im Stand aus? Fragst du deine Kunden, ob die Pferde nach der Bearbeitung gut laufen oder nicht? Machst du dir Gedanken welchen Einfluss deine Bearbeitung auf die inneren Strukturen hat?

Wir treffen viele Pferde in der Praxis, die tatsächlich durch die Hufbearbeitung gestört werden. Ihre Bemühungen etwas aufzubauen oder etwas zu kompensieren, werden mit einem Ansetzen des Messers zu Nichte gemacht. Und der Huf versucht sich erneut aufzubauen, das Laufen wird besser und dann ist der nächste Termin zur Hufbearbeitung – der Huf sieht danach wieder hübsch aus, funktioniert aber leider nicht mehr so gut.

Wenn ein Huf sich dann nicht entsprechend der Erwartung entwickelt, ist die erste Idee vieler Hufbearbeiter noch mehr zu bearbeiten. Kennst du den Gedanken: Vielleicht drückt der Knubbel ja doch? Oder ist ja ganz klar, dass der Strahl so schlecht ist, die Eckstrebe engt ihn ja auch ein. Oder der Gedanke, dass die Trachten so untergeschoben sind verändert sich nicht, obwohl ich sie kürze, bis die Hornröhrchen gerade verlaufen.
Diese Gedanken verleiten eben dazu mehr Substanz zu entfernen und irgendwann greift man dann eben auf den Bekleb, Beklett oder alternativen Beschlag zurück, weil es bei dem Pferd eben nicht funktioniert barhuf. Es läuft fühlig, die Hufe entwickeln sich nicht weiter oder entsprechen vielleicht auch einfach nicht dem optischen Anspruch.

Du willst mehr über HUF(e) erfahren? Wir haben über unsere Passion ein Buch geschrieben:

Wir haben da einen anderen Ansatz und wir können wir direkt sagen: Es funktioniert nicht bei jedem Pferd, in jeder Haltung, mit jedem Besitzer.

Wenn wir Probleme sehen, versuchen wir den Pferdebesitzer bestmöglich zu beraten, was er außerhalb der Hufbearbeitung für die Hufgesundheit tun kann. Unsere Erfahrungen mit HUF, also Haltung, Untergrund und Fütterung, sind einfach so genial, dass wir immer wieder jedem davon erzählen möchten. Auch wenn wir den einen oder anderen damit nerven,  (die Gründe liegen aber vielleicht auch bei dem, den es nervt) können wir nur immer wieder vom Einsatz von Kieselsteinen, Paddock Trails, Heuanalysen und ausbalancierter Mineralisierung schwärmen. Vor allem, weil wir den Effekt jeden Tag erleben. 

Aber auch unsere Kunden setzen unsere Tipps bei Weitem nicht immer um. Dann kann man eben nur kompensieren mit der Hufbearbeitung und sein bestmögliches versuchen. Und das ist immer wieder weniger Bearbeitung. Wirklich nur ganz punktuell einzugreifen, nur minimal unterstützen und die Versuche der Hufe sich selbst zu helfen honorieren. 

Wenn ein Pferd schlechter läuft, fragen wir uns, was sind die Einflüsse von außen: Ist es nasser geworden? Hat das Pferd Stoffwechselprobleme? Hat es sich zu viel abgelaufen oder ganz andere Baustellen? Bei der Bearbeitung gucken wir, wo fehlt Schutz und welche Struktur könnte das kompensieren und was bearbeite ich, ohne das Pferd zu stören? Manchmal heißt das auch, dass wir gar nicht mit Werkzeug bearbeiten, sondern nur beraten.
Aber wir können an einer Hand abzählen, wann wir es für nötig gehalten haben ein Kundenpferd zu bekleben, beschlagen machen wir gar nicht. Es gibt auch vereinzelte Fällen, in denen wir dies für sinnvoll gehalten haben, wir dann aber an fachlich kompetente Kollegen überweisen.

Was wir eigentlich sagen möchten: Wenn es barhuf nicht klappt und du deshalb immer mehr beklebst, hinterfrage doch mal deine Hufbearbeitung. Was kannst du mal anders machen? Oder wie kannst du beraten, damit die Pferdebesitzer mehr für die Hufgesundheit ihrer Pferde tun?

Natürlich ist dieser Weg etwas anstrengender und eben nicht der easy way out, aber es macht so viel mehr Spaß und bringt richtig tolle Erfolge!

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